Fachübergreifend

Panel: Was bedeutet eine zeitgemäße akademische Bildung als offenes Programm?

Ursula Konnertz ist Philosophin. Sie arbeitet an der Universität Tübingen und ist unter anderem für das Studium Generale zuständig. Ihren Vortrag für das Panel nennt sie selbst „Impulsreferat“.

Zu Beginn der Veranstaltung hinterfragt sie den Titel ihres eigenen Panels. Ist ein offenes Programm überhaupt möglich? Schließt sich das nicht aus mit dem Anspruch, den akademische Bildung haben sollte? Und verlieren altgediente Lehren ihren Wert, wenn zeitgemäß gelernt werden soll?

Ursula Konnertz glaubt selber nicht, dass es Bildung ohne einen normativen Rahmen geben kann. Einen anerkannten normativen Rahmen zitiert sie aus der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, Artikel 26 Absatz 2:

„Die Bildung muss auf die volle Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit und auf die Stärkung der Achtung vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten gerichtet sein. Sie muss zu Verständnis, Toleranz und Freundschaft zwischen allen Nationen und allen rassischen oder religiösen Gruppen beitragen und der Tätigkeit der Vereinten Nationen für die Wahrung des Friedens förderlich sein.“

Dieser vorgegebene Rahmen ist 1948 entstanden, ihm zu Grunde liegt eine lange Historie. Und seit seinem Entstehen ist viel passiert. Ist diese Grundausrichtung heute noch hilfreich? Ist sie zeitgemäß?

Immer noch enorm wichtig sei die Unterscheidung von Persönlichkeitsentwicklung und -Entfaltung, wie sie in Artikel 26 gemacht wird. Die Persönlichkeitsentwicklung ist nach außen erkennbar. Sie kann gesteuert und manipuliert werden. Ihr gegenüber steht die Persönlichkeitsentfaltung. Ein Prozess, der laut Ursula Konnertz im Inneren eines jeden Menschen passiert und der nicht messbar ist.

Zeitgemäße akademische Bildung ist für Ursula Konnertz eine Bildung, die Fragen an ihre eigene Zeit stellt und nicht nur permanent zurückblickt. Die Inhalte akademischer Bildung ergeben sich also automatisch durch die epochal typischen Schlüsselfragen. Aktuell wären wichtige Themen die Migration, Nachhaltigkeit, Europa, Grenzen des Wirtschaftswachstums, technische Neuerungen und Digitalisierung und die Probleme die daraus folgen und die Menschenbildung durch Naturwissenschaften, die beispielsweise durch die Genforschung wichtige ethische Fragen aufwerfen.

Problematisch, zumindest, wenn man sich der Persönlichkeitsentfaltung nähern möchte, ist dann der Begriff des „akademischen“. Das akademische Lernen muss per Definition in staatlichen Institutionen stattfinden und durch akademische Lehrer angeleitet werden. Damit wird staatliche Bildung scheinbar automatisch kontrollierbar.

Als Lehrende an Hochschulen stehe man nun vor der besonderen Herausforderung die verschiedenen Welten, über Generationen hinweg, zu verbinden und mit Studierenden die wichtigste Gemeinsamkeit herauszuerarbeiten: Bildung soll der Verständigung der Menschen über die Welt dienen. Und lernen um zu verändern wird kein Thema mehr sein, wenn man es nicht schafft, diese Brücke zu bauen.

Als universitäre Einrichtung kann man da vor allem eines tun: Offen sein für Veränderungen, die sich anbieten und gleichzeitig sagen wohin man möchte und die normative Grundlage, die das begründet, transparent zu machen.